Die universelle Gestalt Gottes

13 Aug 2016 Bangalore, India

(Vortrag Sri Sris über das 11. Kapitel der Bhagavad Gita am 13. August 2016 im Bangalore Ashram)

Ein geblendeter Geist kann nicht von alleine aus der Täuschung herausfinden. Das kann nur durch Gnade geschehen. Eine helfende Hand ist notwendig. Jemand, der im Wasser ertrinkt, kann nicht aus dem Wasser herausspringen, weil er ja gerade daran ist, unterzugehen. Hätte er schwimmen können, so hätte er es getan. Er ertrinkt, weil er  eben nicht schwimmen kann, und ist daher auf Hilfe angewiesen.

"Mad-anugrahaya paramam guhyam adhyatma-samjnitam. Yat tvayoktam vacas tena moho 'yam vigato mama" (11.1)
"Bhavapyayau hi bhutanam srutau vistaraso maya. Tvattah kamala-patraksa mahatmyam api cavyayam" (11 .2)

Arjuna sagt: "I war daran, im Samsara, in dieser Welt, unterzugehen, ich war verblendet, du aber hast mir deine helfende Hand gereicht und mir daraus herausgeholfen. Ich  bin so dankbar. Deine Gnade hat mich gerettet. Du hast mich in die Geheimnisse der Spiritualität eingeweiht. Ich kann dir nicht genügend danken. Du hast mir von deinen Eigenschaften erzählt. Davon, dass du überall bist. Davon, dass du nicht nur der Körper bist. Auf vielfache Weise hast du mir vermittelt, dass du der ewige Geist bist."

"Evam etad yathattha tvam atmanam paramesvara. Drastum icchami te rupam aisvaram purusottama" (11.3)

Je mehr Wissen du dir aneignest, desto mehr erwacht Wissensdurst in dir. Das ist das Merkmal eines wahrhaft Suchenden. Erkenne die Gegensätzlichkeit, die hier vorhanden ist. Auf der einen Seite ist Zufriedenheit zu erkennen: "Ich bin dir so dankbar, dass ich aus der Täuschung herausgefunden habe." Es gibt also ein gewisses Maß an Zufriedenheit. Doch auch Entdeckergeist ist vorhanden: "Ich möchte die Vielfalt deiner Formen sehen! Ich möchte mehr von dir sehen! Ich möchte deine göttliche Form sehen! Du hast mir von deiner Form berichtet, mir deine göttliche Form jedoch nicht gezeigt. Ich möchte diese göttliche Form betrachten!"

"Manyase yadi tac chakyam maya drastum iti prabho. Yogesvara tato me tvam darsayatmanam avyayam" (11.4)

Was Arjuna im nächsten Vers sagt, ist sehr interessant. Er sagt: "Erst, wenn du das Gefühl hast, ich sei qualifiziert, Wissen zu erfahren, solltest du es mit mir teilen. Zeig mir deine Gestalt erst, wenn du denkst, ich sei dafür bereit, wenn du fühlst, dass ich fähig bin, deine Form anzusehen."
Das zeigt an, dass das spirituelle Wissen Zufriedenheit gebracht, aber auch den Wissensdurst lebendig erhalten hat. Vollkommenes Vertrauen in den Lehrer ist vorhanden.

"Pasya me partha rupani sataso 'tha sahasrasah. Nana-vidhani divyani nana-varnakrtini ca" (11.5)

Das Formlose spricht nun und überbrückt die Kluft zwischen der Form und dem Formlosen. Es gibt nur ein Formloses, jedoch Hunderte, Tausende von Formen. Es ist ein besonderer Blickwinkel, ein besonderes Auge erforderlich, um die Dichotomie des einen Formlosen und der Millionen Formen wahrnehmen und verstehen zu können.
Krishna sagt: "Obwohl ich formlos bin, bin ich in allen Formen enthalten. Es gibt nicht nur eine, sondern viele Millionen Formen von mir. Ich bin in allen Gestalten, in allen Formen vorhanden. Erkenne mich überall! Das ist Vishwa Roopa."

"Pasyadityan vasun rudran asvinau marutas tatha. Bahuny adrsta-purvani pasyascaryani bharata" (11.6)
"Ihaika-stham jagat krtsnam pasyadya sa-caracaram. Mama dehe gudakesa yac canyad drastum icchasi" (11.7)
"Na tu mam sakyase drastum anenaiva sva-caksusa. Divyam dadami te caksuh pasya me yogam aisvaram" (11.8)

Er sagt: "Schau her! Schau mich an! Die Adityas (Sonnen), alle Devas und alle Bhutas, alles ist in mir. Im Universum gibt es bewegliche und unbewegliche Objekte. Einige sind bewusst, andere unbewusst. Sowohl die bewussten als auch die unbewussten, sowohl die beweglichen als auch die unbeweglichen, all diese Formen und Gestalten sind in mir, alles ist in mir. Um das erkennen zu können, brauchst du ein bestimmtes Auge. Ich werde dir das Auge schenken, mit dem du dies erkennen kannst."

"Evam uktva tato rajan maha-yogesvaro harih. Darsayam asa parthaya paramam rupam aisvaram" (11.9)

Sanjay ist der Kommentator. Auch er ist in der Lage, mit Hilfe seines dritten Auges zu sehen. Sanjay befindet sich im Palast und erzählt dem König, was er gesehen hat. Es  betrifft die Ereignisse in Kurukshetra, wenige hundert Kilometer von Hastinapur entfernt.

"Aneka-vaktra-nayanam anekadbhuta-darsanam. Aneka-divyabharanam divyanekodyatayudham" (11.10)
"Divya-malyambara-dharam divya-gandhanulepanam. Sarvascarya-mayam devam anantam visvato-mukham" (11.11)

Sanjay erzählt: "Arjuna sieht die Göttlichkeit nun in vielen Formen. Er sieht Krishna nicht mehr in Krishnas Gestalt. Er sieht alle Formen gleichzeitig."
Krishna ist wie ein Fernsehgerät geworden. Im Fernseher kannst du verschiedene Dinge  sehen. Der Körper ist transparent geworden, und in diesem Körper kann Arjuna nun viele Formen erkennen. All die Dinge, die er hat sehen wollen, die er sich vorgestellt oder auch nicht vorgestellt hat, beginnen nun zu erscheinen.

"Pasyami devams tava deva dehe sarvams tatha bhuta-visesa-sanghan brahmanam isam kamalasana-stham rsims ca sarvan uragams ca divyan" (11.15)

Arjuna sagt: "Nun sehe ich all die göttlichen Gestalten in dir. Die Rishis sind in dir. Ich kann all die Weisen des Universums sehen. Und ich kann weder einen Anfang noch ein Ende und auch keine Mitte erkennen. Jede Form im Universum ist deine Form."
Das ist etwas äußerst Subtiles, und man braucht die ganze Aufmerksamkeit, um es zu erfassen. Die Welt ist Göttlichkeit. Die Göttlichkeit und die Welt sind nicht zwei getrennte Dinge. Sie sind eins. Es gibt keinen Angfang und kein Ende.

"Aneka-bahudara-vaktra-netram pasyami tvam sarvato 'nanta-rupam nantam na madhyam na punas tavadim pasyami visvesvara visva-rupa" (11.16)

Arjuna sagt: "Ich sehe so viele Hände und so viele Augen. So viele Visionen werden mir zuteil. Es erschafft Gänsehaut in mir. All diese Formen, das ganze Universum: Sie sind nichts als du und befinden sich in dir." Deshalb ist es Vishwa Roopa: "Die Welt ist meine Form. Erkenne mich in der Welt und die Welt in mir!" Dann hast du Vishwa Roopa erkannt, dann hast du die universelle Form gesehen!"

"Kiritinam gadinam cakrinam ca tejo-rasim sarvato diptimantam pasyami tvam durniriksyam samantad diptanalarka-dyutim aprameyam" (11.17)

Wenn wir durch eine so intensive Erfahrung gehen, ist es schwierig, damit umzugehen. Und genau das geschieht mit Arjuna. Arjuna sagt: "Ich kann nicht schauen. Es ist zu großartig für mich. Ich kann nicht sehen. Ich verschwinde. Etwas geschieht. Ich löse mich auf. Ich kann nicht mehr sehen. Das ist mehr, als ich ertragen kann. Du bist der Unvergängliche. Du bist das, was erkennenswert ist. Hat man das nicht erkannt, so gibt es nichts, was es wert wäre, erkannt zu werden. Du bist der Inhaber aller Dinge, die unvergänglich sind. Der Raum, in dem sich alles befindet, ist unvergänglich. Das ist es, was du bist. Oh Gott! Ich habe das nicht gewusst!"

"Tvam aksaram paramam veditavyam tvam asya visvasya param nidhanam tvam avyayah sasvata-dharma-gopta sanatanas tvam puruso mato me" (11.18)

Arjuna sagt: "In deiner Form sehe ich die Formlosigkeit. Du bist ewig. Du bist das Sein."

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